Donnerstag, 12. März 2009

twittermüll.

stefan niggemeier I: amok twittern

"zum anfang hatte focuslive gefragt:

ist es verwerflich über amokläufe zu twittern? #amoklauf #winnenden #moral 2.0

und falls das nicht ohnehin eine rhetorische frage war, möchte ich antworten: so? ja.man muss es nicht gleich „pervers” nennen, aber es ist in jeder hinsicht unangemessen. es geht um pietät, prioritäten und perspektive. ich finde es falsch, angesichts des unglücks so vieler menschen über die eigene anreise zu schreiben. ich finde es falsch, in der hektik dieser berichterstattung noch über die hektik dieser berichterstattung zu berichten, auch wenn es nur zehn sekunden dauert. und ich finde es falsch, die aufmerksamkeit vom gegenstand der berichterstattung auf den berichterstatter zu lenken.

guten tag, liebe leser, hier ist wieder ihr focus-online-live-team. wir haben eine gute und eine schlechte nachricht für sie. die schlechte: es gibt zwei weitere todesopfer. die gute: unsere reporter sind auf dem weg zum tatort, der verkehr läuft flüssig, und die frisur sitzt.



stefan niggemeier II: pöbeljournalismus

schnell wird klar, man weiß nichts und will darüber reden. wo für so ein geschwätz früher nur hausflur oder supermarkt blieben, erlaubt das internet nun die ungefilterte verbreitung. natürlich stecken zwischen den unzähligen informationen häufig auch falsch- und spaßmeldungen, es fällt schwer, den unterschied zwischen echter nachricht und unsinn zu bemerken.

selten ist stern.de so treffend beschrieben worden. leider ist twitter gemeint.

blank weiter:

doch das problem ist häufig nicht alleine die nachricht, sondern wie mit ihr umgegangen wird. während ausgebildete journalisten eigentlich wissen, wie mit namen, adressen und bildern umgegangen werden darf, erfährt man bei twitter schnell, wie der mutmaßliche täter heißt. das elternhaus wird in aller pracht gezeigt, und damit man es auch findet, gibt es den link zur adresse dazu. der pressekodex gilt halt für die presse, und nicht für ein medium, welches von vielen fälschlicherweise als die zukunft des journalismus betrachtet wird.

ach: der pöbel zeigt im internet einfach das elternhaus des amokschützen? dieses haus? und der pöbel verrät im internet gleich die adresse dazu? dieselbe adresse, die heute unter anderem in der „berliner zeitung” steht, in einem artikel, der mit der ortsmarke „weiler zum stein” und den worten beginnt: „das einfamilienhaus an der straße 3 hat rote dachziegel, beige wände, schmutzige dachfenster”? und der pöbel nennt direkt den ganzen namen des amokläufers? jenen namen, der heute auf den seiten eins, zwei und drei der „süddeutschen zeitung” steht?



[besser kann man es nicht sagen.]