Montag, 9. Januar 2006

me [heart] indiepop, voll gay.

les mercredis. lächeln kostet extra.
meine nachbarin andrea hat ihn aus dem treppenhaus gerettet, den umschlag mit dem bisschenblöden bild drauf, dem bild mit den drei frauenkörpern, auf die herrenporträts montiert wurden. fast wär er verloren gegangen, der umschlag, im papiermüll in meinem hausflur. übervoller briefkasten und so. kommt davon, wenn man länger in berlin und sonstwo bleibt als geplant. das wär ein verlust gewesen, denn in dem umschlag waren eine cd und ein brief. beides nicht zu haben wär ziemlich doof gewesen. aber sie sind ja da, beide, zum glück, und die cd, sie ist die erste echte cd der drei herren aus dem nirgendwo, der herren les mercredis. 'lächeln kostet extra.'
das wusste man ja schon. und das mit der cd wurde ja auch zeit. ich müsste eigentlich jetzt diesen standardsatz schreiben vom warten, und dass es sich gelohnt hat und so, und das würd zwar stimmen, aber wär doch wohl ein bisschen arg affig, denn es ist ja nun mal gerade eben nicht so, als ob ich diese songs noch nie vorher gehört hätte. als ich das erste mal die mercredis gehört hab, an einem mittwoch im mai, da hab ich, ha, caro-standardreaktion, geweint. und nicht, weils schlimm gewesen wäre, nein. es war ein tag, an dem ich das krawallige wumm-wumm von 'sowas von egal' kaum registriert hab, und mich stattdessen, ebenfalls caro-standardreaktion, vollkommen mit den lyrics überidentifiziert habe. 'und wir ham' uns nichts mehr zu sagen | einfach schwer zu ertragen | mitten auf der kreuzung fühl ich mich frei und du, du bist nicht dabei.' sang der gulli mir von meinem cd player aus ins ohr, während ich im auto auf jemanden wartend auf dem beifahrersitz sass und geflennt hab, und zwar eledigst. sehr befreiend war das. von dem tag an waren die mercredis in meinem leben. ich hab viele stunden des letzten jahres auf dem spinningrad mit einem pre-master von 'lächeln kostet extra.' verbracht und mit fast ohne atem 'morgendanach' mitgehechelt, denn zu dem song kann man ganz super mit so mitteldoll angezogener feststellbremse fahren, den unnachgiebigen beats aus den händen des herrn petracca sei dank. ansonsten hab ich sie beim zugfahren gehört, die herren mercredis, und beim david kirsch ab training, und beim rumhupfen in der wohnung und beim putzen und auch mal so firsthand, bei einer extra für mich veranstalteten sonntagabendprobe. und auch überhaupt sonst so: sie gehören zum soundtrack des jahres 2005 dazu, die herren mercredis und ihre lieder. und wie das so ist, mit songs die man länger hört, die verändern sich. zum einen kriegen sie das, was ich residue nenne, emo-ballast, erinnerungen bleiben dran kleben, und zum anderen hört man sie anders, mit der zeit. plötzlich fallen einem, irgendwo versteckt, ganz wunderbar kitschige streicher auf, oder auch, dass ein bestimmtes wort in einem text einfach gar nicht passt, oder wie schnuckig eine bestimmte keyboardaktion ist, oder es macht plötzlich *klick* und ein text macht dann doch sinn, - manchmal vielleicht auch zuviel sinn. 'zeugenstand', das ich auf anfrage mal zu einem meiner persönlichen top3 les mercredis songs gekürt habe, beste struktur und frickelei ever, kann ich nicht mehr so gut hören, seit man mir erklärt hat, worum es in dem text eigentlich wirklich geht. merke: nie nach dem hintergrund von texten fragen, wenn man die songs danach noch ohne dieses extrem unangenehme dasistjetztabervielzunah gefühl hören will.
samstag abend, als ich nach freiburg zurückgekommen bin, und der umschlag mit der cd auf mich wartete, da hab ich mich erst ein kleines bisschen sehr gefreut, dann die cd in den cd player gelegt und ganz laut gedreht, während ich meinen rucksack ausgepackt und mich auf die popsociety eingestimmt und angehübscht hab. einfach mal so tun, als gäb es keinen residue, mal so tun, als hätte ich diese songs noch nie gehört. und das ging gut, sehr gut sogar, denn das ist ein gutes album, ein schönes album, ein wirklich gutes, feines indiepop plus krach plus elektrozeugs album. indiepop, voll gay halt.
jaja, manches funktioniert nicht so hundertprozentig, manches geht gar nicht, egal wie lieb man die herren hat, manches hat eine nicht allzu lange halbwertzeit, aber andere sachen, melodien und textbrocken und beatdetails und überhaupt das ganze wahnsinnige hupfpotential rocken diese makel raus, und zwar total. herr wied singt sich enthusiastisch und resolut die lunge aus dem leib und lässt die gitarre jaulen, herr disco liefert die bassbasis (schade nur, dass man auf der cd nicht hört, wie attraktiv er dazu rumhupft), und herr petracca veranstaltet den alles definierenden elektrorest, so wie er das nun mal macht, gekonnt nämlich, mit beizeiten billig jaulendem synthie und übertreibungen und schön bösen dissonanzen und fiepigen, bitchy rhythmen und den alles tragenden melodien. mit der grossen geste, eben. und die texte verbricht er ja sowieso auch noch dazu.
schön haben sie das gemacht, die herren, wirklich schön. und wenn man bei denen mal genau hinhört, und mal so zwischen die zeilen liest, und mal guckt, wem da so gedankt wird, in dem booklet, da beginnt man zu ahnen, dass das jetzt erst so richtig losgeht mit den herren mercredis, und dass 'lächeln kostet extra.' vielleicht nur so ein bisschen fast unwichtiges vorgeplänkel ist, so zum aufwärmen. aufwärmen für die clubbühnen dieser republik, für die coolsten indielabels des landes, für ihre namen in leuchtenden buchstaben über der stadt, für das grosse ding. verdient haben sie es, die herren. aber nur knapp. denn erst müssen die herren mir mal bitte noch mal erklären, warum sie meinen LIEBLINGSSONG vom album geworfen haben. hätten sie nicht das nervige 'das letzte deiner art' chassen können? den einzigen tolerablen song mit dem titel hat niels frevert ja schon vor zehn jahren gemacht. aber 'selbstbetrug'! was war so schlimm am grossen selbstbetrug, die herren? können sie mir das mal erklären? hallo? ist da wer? selbstbetrug! ihr bester song, so far! unverzeihlich. ausser, sie wollten ihn aufsparen, für die nächste, wichtige, grosse veröffentlichung. erste single bei nem major label oder erste ep bei hippen jungs aus hamburg. oder wasauchimmer.
aber egal, eigentlich. ich liebe sie, die herren mercredis. sie und ihre komische, seltsame indiepopelektropunksonstwasmucke. und zwar ganz schön arg, so in der gesamtbetrachtung. so mit vielen kleinen viechern, schmetterlingen und ratten. mit meinem ganzen gottverdammten kleintierzoo halt.

[heart.]

[parole: kaufen. kaufen. kaufen.]