meine tante ist bestatterin.
es ist nicht ganz wie bei fisher & sons bei ihnen, aber beinahe. ein familienunternehmen, vom vater aufgebaut, von ihr und ihrem bruder weitergeführt, erfolgreich.
krisenfest, die branche, so beinahe, scheinbar kommt für jeden der nur den billigen kiefernsarg für die verbrennung haben will auch einer, der alles will, eiche, schwer, teuer, seide, thanatopraktische behandlung (vollkommen in, gerade), grosses tamtam.
zudem hat man investiert, anteile an einem krematorium in holland gekauft. denn das ist auch in, verbrennen in holland. billiger, besser, schneller, und wenn man oma oder opa in der urne auf dem wohnzimmerschrank stehen haben will, dann geht der weg am bestattungszwang vorbei über krematorien in holland.
sie haben coole dinge heutzutage. särge von colani. glasurnen. urnen zum selbstgestalten.
es gibt nichts, was es nicht gibt, im bestatterwesen. meine tante macht das leidenschaftlich gerne und gut. sie ist emphatisch aber nicht weinerlich. sie ist pragmatisch fordernd ohne aufdringlich zu sein.
das sind gute eigenschaften für bestatter.
im haushalt meiner tante zu besuch zu sein, auf länger, das kam selten vor als ich klein war, aber war immer spannend, aufregend, ein bisschen beängstigend, aber auch schön.
ihr vater hatte ein holzbein, im krieg sein bein verloren was ich als kind äußerst spannend fand. ein bein verlieren? unglaublich. sein ersatz bein, Laus hautfarbenen kunststoff, das stand manchmal im gästezimmer hinter der tür! wow.
dazu der bruder meiner tante, andreas, etwas mehr als 10 jahre älter nur als ich, das nesthäkchen der familie, das nesthäkchen mit down syndrom, verwöhnt bis zum gehtnichtmehr, fixiert aufs trommeln im tambourchor, liebevoll wie nur was, und für mini-me quelle von faszination und verwirrung. dazu dann die zinksärge in hof und garagen, die manchmal mit dem gartenschlauch saubergespritzt wurden. der leichenwagen. meine manchmal boshafte, 3 jahre ältere, von mir vergötterte cousine corinne. und das sarglager.
spannend war es.
ja. das sarglager.
es war nur das. ein lager für särge. ein ausstellungsraum. keine toten menschen drin. damals noch hatten sie keine thanatopraxis, hatten keine kühl- und abschiedsräume (die haben sie heute, sehr geschmackvoll eingerichtet), keine toten menschen im hinterhaus (so wie heute), die waren immer in der leichenhalle des friedhofs (50m luftlinie entfernt). also nur das sarglager. leere holzkisten.
das hat schon gereicht.
da war diese komische tür mit dem dunklen glas und dem komischen symbol der bestatterinnung. ein raum der mir riesig erschien, endlos beinahe. der mit voller beleuchtung noch dunkel war. särge jeder form und gestaltung, zum teil an die wände montiert, mitten im raum, überall, in einer ecke auch ein ständer mit sargausstattungen und hemden. ein raum in dem der vater meiner tante menschen hinkend särge zeigte.
ich hasste das sarglager.
ich hatte angst vor dem sarglager.
das sarglager war der kulminationspunkt der andersartigkeit der familie meiner tante.
eines tages, es war während eines längeren aufenthaltes bei meiner tante, die eltern mit freunden und ohne kinder im urlaub, in rom (den papst sehen!), meine cousine und ich hatten schon alles durchsucht im haus, den spielkeller ausgespielt, im hof genug ball gespielt, da schlug meine cousine vor, wir sollten doch durch das sarglager in die werkstatt gehen (damals bauten sie noch wenige särge, heute gibts das nicht mehr), schauen was ihr opa denn mache.
das hörte sich gut an, mein opa, vergöttert und geliebt hatte auch eine werkstatt, und da war es immer toll, da gab es schleifpapier und holz und man konnte spielen, solange man die finger von den bösen maschinen lies.
cousine corinne machte die verhasste tür zum sarglager auf, schloss sie auf, wow, das konnte ich nocht nicht, war ja auch noch keine 5, hielt sie mir auf. das licht war aus. ich ging rein. mutig.
und dann machte sie die tür zu.
hinter mir.
und schloss ab.
da war es dunkel.
und da waren särge.
und die angst.
der grosse raum. die dunkelheit. die särge.
erst bat ich sie noch.
"corinne, mach auf, was ist denn los? komm doch rein. lass mich raus."
dann ruckelte ich an der tür. weinte leise. suchte nach dem lichtschalter, fand in nicht. weinte lauter. bat sie weiterhin, doch aufzumachen.
schrie. weinte mehr. schrie lauter. hämmerte fester gegen die tür.
sie lachte draussen.
und ging weg.
verzweiflung. angst. weinen. schreien. kreischen. die tür schlagen.
schliesslich befreite mich -nach einer zeit die mir vorkam wie stunden, es können aber nur minuten gewesen sein- ihr onkel, der durch das dunkel des sarglagers aus der werkstatt heraus kam.
licht anmachte.
draussen mehr licht.
keine särge mehr.
ausatmen, tränen trocknen, getröstet werden.
ob corinne bestraft wurde für meine einsperrung, daran kann ich mich nicht erinnern.
ich erinnere sie aber gerne detailliert bei jeder unserer seltenen begegnungen an ihre damalige boshaftigkeit. ganz besonders dann, wenn sie neue lover anschleppt.
unterhaltsam ist das. jedes mal.
so wie das für sie sicher war, damals, als sie mich eingesperrt hat, ins sarglager.