Donnerstag, 13. Mai 2010

the national, 2008-07-17.

matt berninger hat das mikrofon im zweihändigen würgegriff.

der mann in jeans-jacke, der in jedem uwe viehmann-lookalike contest gute chancen auf einen sieg hätte, lehnt sich mit geschlossenen augen und verzerrtem gesicht gegen und mit dem mikrofonständer, hängt an ihm und schubst ihn herum. mit seiner sonoren bartionstimme, die er aus den tiefsten stellen seines körpers hervorzuholen scheint, säuselt, croont, schreit und singt er die fragmentarischen lyrics und endlosen refrains der song seiner band the national in das mikrofon, mit dem er kämpft.

berninger lässt vom mikrofon ab, hetzt auf dem beschränkten raum hin und her, den es am donnerstagabend auf der mini-bühne vor dem dachauer rathaus zwischen keyboards und drumset für ihn gibt. mit herumliegenden drumsticks schlägt er wie besessen ein paar takte auf die crash ein, dann mit den fäusten auf seine eigenen schenkel, scheint sich im vielschichtigen sound seiner band zu verlieren und greift mit der einen hand im nächsten moment dann doch wieder zum mikrofon und umfasst mit dem anderen arm, als wolle er sich selbst umarmen, seinen oberkörper. kein zweifel: für matt berninger ist sein mikrofon selbstfolterungsinstrument und rettungsanker zugleich.

zu acht stehen the national – die standardbesetzung der band plus drei tourmusiker - in dachau auf einer bühne, die so klein ist, dass selbst die örtliche coverband beim stadtfest kaum darauf platz finden dürfte. die band stört das, gerade auf europäischer festival-tour, kein bisschen. „this is much nicer than festivals“, sagt berninger zu beginn des sets. und wie um zu beweisen, dass dieser gig für sie genau so wichtig ist, wie die vielen großen festivals, auf denen sie in diesem sommer auftreten, bringen er und seine band den urbanen sound der beiden zuletzt erschienenen alben „alligator“ und „boxer“ mitten auf den voll bestandenen kleinssttädtischen bayerischen marktplatz. und zwar mit voller wucht.

die dramaturgie des sets ist wohl durchdacht, die intensität der show wird über mehrere songs aufgebaut, bevor sie in melancholischen balladen genüsslich wieder und wieder kulminiert. der erste höhepunkt dieser art ist „slow show“, von berninger mehr rezitiert als gesungen, von den begeisterten fans der band – angeblich sind einige heute extra aus bremen angereist – mitgesungen, als seien seine zeilen ihre eigenen. „you know i dreamt about you, for twentynine years before i saw you“ singt berninger mit einer dringlichkeit, die gänsehaut auslöst.

die songs der band sind live explosiv, nach vorne drängend, trotz der selbstbezogenheit ihres sängers. wieder und wieder rückt arrangeur und violinist padma newsom zu ausgelassenen geigensoli in die mitte der bühne, spielt sich selbst die brille von der nase oder schlägt mit muppethafter gestik auf seine zwei keyboards ein. die gitarren der dessner-brüder duellieren sich nicht, sondern bauen gemeinsam einen flächigen, leuchtenden sound aus und wieder und wieder – arcade fire lassen grüssen – werden die instrumente unter den bandmitgliedern getauscht; jeder darf mal ran. den grundstein für den dichten sound legen bryce devendorfs drums: mit hardcore-intensität lässt er in der hoffnungsvollen hymne über einen demokratischen präsidentschaftskandidaten, „mr. november“, eins für john kerry geschrieben, mittlerweile für barack obama verwendet, fanatische kleine rhythmen auf den snares knallen. „i won’t fuck us over“ singt berninger, wie im wahn. „i won’t fuck us over“.

und trotz des melancholischen dunkels von berningers stimme und seinen expressiven texten über die liebe und die schwierigkeit der zweisamkeit, ist da nirgendwo weinerlichkeit. durch jeden song, durch das gesamte konzert, zieht sich die sehnsüchtige hoffnung, die euphorie, geradezu, dass alles gut wird, irgendwann, und die suche und der schmerz ein ende haben werden.

an der linken hand, mit der matt berninger das mikrofon wieder und wieder umklammert, steckt zumindest ein breiter goldener ehering.

[heute dann endlich mal hervorgesucht. weil ich ein ticket gekauft habe, für hamburg, im juli. und weil gerade bloodbuzz ohio im radio gelaufen ist. und überhaupt in meinen kopfhörern fast nichts anderes, gerade. und weil im flight die violette special edition auf mich wartet. und überhaupt. weil ich diesen schlimmen übungstext seit diesem wunderschönen abend nicht wieder gelesen habe. ich würde zu gerne noch mal den text lesen, den der kollege vom rolling stone damals geschrieben hat. und uwe: bitte entschuldige.]