Donnerstag, 12. Oktober 2006

sharpen.

und dieses mal war es anders. anders als immer. anders als alles davor, und mehr als genug davor hat es ja gegeben. diesmal sass die ironie nicht neben dir auf dem sofa, weggerannt bist du nicht und die bühne hattest du auch nicht aufgebaut; alles sperrholz war zu anderen zwecken schon in verwendung, und so konnte ich nicht still vor deiner bühne sitzen und zu dir hochgucken und du konntest nicht obendraufstehen und auf mich runtergucken. wir haben nebeneinander gesessen, diesmal, und das allein war schon absurd genug. all die orte, an denen wir schon gesessen und geredet oder eben nicht geredet haben, damals, die schönen orte und die schlimmen, ich kann sie alle noch sehen und beschreiben und fühlen, die orte, die wichtig waren, an denen wichtige sachen passiert sind, sachen mit dir und mir. ich habe mich in dich verliebt in einem rotgefliesten flur, in dem es kühl war und immer ein bisschen muffig, weil da so viele jungs auf einem fleck waren. wir haben uns das erste mal angefasst in einem raum mit zwei meter dicken mauern, haben auf einer bank auf einem hügel aus bergbauschutt gesessen als du mir erklärt hast, dass du beschlossen hast, dass es nicht mehr geht, und irgendwann später habe ich auf dem farbbefleckten holzboden deines zimmers gesessen, du hast einen satz gesagt, in dem das wort subtil vorkam, wir haben uns durchs zimmer gescheucht, und irgendwann bin ich gegangen, im regen, weil du mich sprachlos gemacht hattest; nicht mit deinen sätzen, sondern mit deinem hang zur selbstkasteiung. wir haben auf einer bühne gestanden und geknutscht, und du hast hinter meinem rücken thumbs up gezeigt, für das lachende publikum, und wie wir in andreas erster studentenwohnung im zimmer ihrer mitbewohnerin und im flur lagen und boshaft waren und uns wehgetan haben, das habe ich auch nicht vergessen. ich habe nichts vergessen, gar nichts, und jedes mal wenn ich von gesicht zu gesicht sage, muss ich an dich denken, weil du diese wörter mal auf eine ausgerissene seite aus einer anthologie von john cheever oder richard brautigam, ich weiss es nicht mehr genau, geschrieben hast. mit blauem kuli, das weiss ich noch genau.
ab einem gewissen punkt hat es nicht funktioniert, mit dem reden und mit dir und mir, weil ich zu viel gedacht habe, und du sowieso, und da nicht nur deine bühne war, sondern auch meine überspanntheit und die goldwaage, auf die ich alles geworfen haben, immer, und meine sehnsucht, dir zu gefallen, die gemacht hat, dass ich dir nicht mehr gefallen habe. ich hab damals alles falsch gemacht, und auch jetzt mache ich schon wieder alles falsch, weil ich denke und denke und denke und verstehen will, aber einfach gar nichts verstehen kann. ich dachte, unsere kleine, lang vergangene geschichte wäre, nunja, eben geschichte, und jetzt hat sie angefangen, wieder angefangen, oder hatte sie je aufgehört, eigentlich?
ich bin nicht urplötzlich verliebt in dich, nicht verknallt, nicht verschossen, das hier ist kein moment, hier geht es um jahre, um immer, vielleicht. ich liebe dich. so einfach ist das.
as if.
genau das war eine konstante, all die jahre, so sehr ich geflucht habe über dich und dich nicht leiden können wollte, weil du mich und meine hampeleien nicht nur durch- sondern auch angeschaut hast, und live zugeguckt hast, wie ich versucht habe, dich von jemand anderem aus meinem herzen rausficken zu lassen, und mich hast wissen lassen, wie unendlich lächerlich ich dabei aussah. egal, wie sehr ich es gehasst habe, dass du mir, jahre später auf einer treppe sitzend mitgeteilt hast, was ich hätte anders machen sollen, damals, und ausgemalt hast, wie es hätte sein können.
ich hab dich immer geliebt.
was für ein klischeesatz. liebe. immer. überhaupt: immer. was für ein wort.
die halbe handvoll männer, die ich geliebt habe, nach dir, sie waren alle dir ähnlich, in irgendwas. natürlich habe ich *sie* geliebt, nicht *dich in ihnen*, aber ich weiss sehr genau, dass ich sie mir ausgesucht habe, weil sie dir ähnlich waren: schlau, schnell, kompromisslos kreativ und voller leidenschaft, oft mit farbe beschmiert, verschwitzt und gut mit worten und musik und überhaupt allem und schweigsam und schwierig und gerne mal allein. wenn ich dich ansehe, heute, dann wird mir klar, dass eins stimmt: menschen ändern sich eigentlich gar nicht im laufe ihres lebens; gute menschen werden immer nur klarer, ihre umrisse und linien werden deutlicher. sharpen heisst die funktion bei picasa; weg mit den verwacklungen. du bist schon immer so gewesen wie jetzt, schon immer du, nur bist du heute knochiger, dünner, muscle and sinew, weniger und mehr zugleich, noch genauer mit deinen worten und mit noch weniger umschweifen in allem und da sind immer noch farbflecken an dir, und shorts, und du riechst immer noch genau so wie du. der abend vor all diesen ewigkeiten, an dem ich dachte, dass es doch noch mal was werden würde mit uns, der abend an dem das tape lief, das du die letzten wochen gehört hast (wie absurd das überhaupt ist), der abend, an den du dich nicht mehr erinnerst, ausgerechnet dieser abend ist verewigt an dir mit der narbe auf deiner schulter. ich habe sie gestern zum ersten mal angefasst, ziemlich verwundert, wide-eyed. sie ist immer noch groß, ganz flach und weiss und verzogen, nicht mehr das gerade, violette, aufgeworfene l das sie war, direkt nach dem unfall, und wie lange das alles her war mit uns, das konnte ich an deiner narbe sehen.
vielleicht werden wir einfach genau so dünner gezogen von den jahren, und das was kaputt gegangen ist an uns, das verblasst. in einem deiner songs singst du von wunden die niemand sieht, weil sie gar nicht da sind; deine wunden waren da, und heute kann man sie sehen, die narben, und die stelle an deinem schienbein, die du dir zum x-ten mal aufgeschlagen hast, dienstag nacht, sie wird irgendwann auch mal weiss und flach und verzogen sein, oder vielleicht eine delle, im knochen, aber sicher erst sehr lange, nachdem du fertig bist mit dem, was du gerade machst. ob ich die narbe an deinem schienbein, die es jetzt noch gar nicht gibt, irgendwann anfassen und an diesen abend denken werde, an den abend, an dem es wieder angefangen hat?
soon i'll grow up and i won't even flinch at your name habe ich mir ein paar jahre lang gewünscht, wenn ich mal wieder zusammengezuckt war, weil ich dich gefunden hatte ohne dich gesucht oder erwartet zu haben, in büchern und rundmails und veranstaltungskalendern und gesprächen, in denen jemand plötzlich deinen namen genannt hat. auch dieses mal hatte ich dich nicht gesucht, zwar auf den zufall gehofft, du, an mir vorbeilaufend in der schanze, irgendwie sowas. ich hätte eh gewusst, wo ich hätte suchen müssen um dich zu finden, aber ich hab mich nicht getraut. ich erwarte immer noch, dass sie mich vergessen haben, die menschen, die für mich am wichtigsten waren und sind; du eben auch, nein: du ganz besonders. und dann gab es tatsächlich diesen zufall, zufall der besser und passender nicht hätte sein können, eigentlich, schon wieder einer dieser zufälle, von denen mir mit dir mehr als genug passiert sind. ich hab tatsächlich gesagt, am frühen dienstag abend: er weiss sicher nicht, welche caro das jetzt war, nachdem ich mich gemeldet hatte, und das war keine koketterie, das war angst. und du wusstest es doch. natürlich.
und heute war ich schon wieder sprachlos, dir gegenüber, aber nur dir gegenüber, denn von dir erzähle ich gerade jedem, der mir nur für fünf minuten zuhört. niemand versteht es, denn niemanden hier kenne ich so lange wie dich, niemandem hier habe ich je mal all die details unserer geschichte erzählt und überhaupt: wie soll jemand etwas verstehen, dass ich selbst noch nicht einmal verstehe?
ich hatte okka dienstag morgen noch gesagt, dass ich schon so lange nicht mehr auf das vertrauen kann, was ich fühle, weil ich einmal dinge gefühlt habe, die nicht da waren, und dann kommst du, zwölf stunden später, fühlst du das auch?, und da war das, von dem ich glaubte, das es nie mehr sein würde. das macht mich fertig. nein: du, du machst mich fertig.
heute weiss ich nur eins ganz sicher: ich will immer zusammenzucken, wenn jemand deinen namen sagt, wenn ich deinen namen lese, deine sachen ansehe, dich höre und sehe und anfasse und fühle. immer.
aber eigentlich ist es wohl noch viel, viel einfacher: ich will dich.