Mittwoch, 4. Mai 2005

in the air tonight.

irgendwie, irgendwann, da hatte ich mich dann doch wirklich beruhigt, am frühen abend.

"so how was your day?" fragte mich ein junger mann am telefon. "it was the fucking worst day of the year so far.", antwortete ich ihm, glaube ich. vielleicht konnte ich das fluchen auch gerade eben noch so unterdrücken. "a day full of emotional turmoil. actually, let's just not talk about it. so how was *your* day?" seiner war wohl auch nicht viel besser.
nunja.
schade.

später dann zumindest minutenweise hybris und entspannung zwischen der ansonsten vorherrschenden panik, klar alles, klar easy, geht alles, irgendwie, locker, sicher, und andrea kam hoch, "was war denn los, ich hab da weinen gehört heut mittag, das warst doch du?", "och...ahem...kann schon sein, da war was heute."
die gute andrea aber auch voll am durchhängen, pfeiffersches drüsenfieber, dauermüde. also de-briefen, aber erst nur in andeutungen, nicht richtig, denn das was ich zu debriefen habe, das ist so abgefuckt, das kann man nicht erzählen.
niemandem.
das ist doch auch was schönes.

stattdessen dvds gucken. auch wenn unser beider auswahl schmal ist.
aber wenn gar nichts mehr hilft, und heute war so ein tag an dem gar nichts mehr hilft, klar, dann hilft eines immer:

miami vice.

trotz meines zweiten x chromosoms bin ich stolze besitzerin eines miami vice dvd boxset.
es sollte ein geschenk für den bruder sein letztes jahr, der sich vor 20 jahren, in seiner jugendzeit, gerne mal türkise t-shirts und weisse sakkos anzog und eine rayban noch dazu, und sich dann fühlte wie sonny crockett.
der geburtstag kam, er packte es aus, das schöne geschenk, aber ohmy!, er hat es schon, genau das boxset.
also behielt ich es und entdeckte meine liebe zu miami vice.

miami vice ist eine grossartige, nein fantastische tvserie.

sie war revolutionär in schnitt und photography, der sound von jan hammer einzigartig. in miami vice entwickelte michael mann erstmalig den für ihn charakteristischen nachtlook, den er in 'collateral' schliesslich perfektionierte.

kürzlich las ich irgendwo, miami vice sei zudem auch ein bild für die isolation des mannes in den 80ern; crockett und tubbs sind primär sich, sekundär ihrer distanzierten freundschaft verpflichtet, nicht dem möglicherweise korrupten police department, sonst niemandem so richtig. sie reden nicht viel. frauen werden verehrt, aber rausgehalten, der verpflichtung wegen, und auch mal betrogen, die liebe wird geopfert. äußerlichkeiten sind wichtig, autos auch, und die stadt ist leer, die strassen leer, shoot-outs finden in leeren hafengebieten oder auf baustellen statt. isolation. einsamkeit.

heute guckten wir den pilot, andrea und ich.
zusammen mit den pilotfortsetzungen 'calderone's return I & II' meine miami vice lieblingsfolge, hands down.

klar, da sind typische 80er jahre tvserienprobleme, zusammenhanglose szenen, schlechte charakterentwicklung am anfang, all so was, grottiges deutsches dubbing noch dazu, aber das original ist so krass gesprochen, das versteh noch nicht mal ich vollständig.

aber dann sind da die grossen momente.
die zeitlupen, die cinemaesken kamerablicke von oben, und ja, auch der humor.

meine lieblingsszene ist fast am ende der folge, ihr kulminationspunkt, eigentlich, die perfekte verknüpfung von musik und szene. es ist eine der besten filmszenen, die ich je gesehen habe.

crockett ist gerade durchgedreht, hat gerade einen korrupten cop, einen kumpel noch dazu, auffliegen lassen. crockett, der gute, er konnte sich schwer zurückhalten, denn verrat, den hasst crockett, egal wenn dieser verrat mit good intentions beginnt.

zeitgleich ist calderone, der bösegeradegeschnapptekolumbianische drogenboss fehlerhafter weise auf kaution aus dem gefängnis entlassen worden, droht zu entfliehen.
crockett und tubbs fahren in einem schwarzen cabrio, ein riesending, marke nicht genau erkennbar, riesenfelgen auf jedenfall, sehr schwarz, sehr offen, sehr schnell, durch das nächtliche miami.

riesenewiglange shots auf die glänzenden felgen, die sich irritierend drehen. riesenewiglange shots auf den kotflügel. die fahrt durch das nächtliche miami fast wie eine szene aus 'need for speed', das licht hypnotisch, die belichtung lang, die kamera schnell und smooth, und gleichzeitig ruhend.

dazu, erst harmlos, die ersten töne von phil collins 'in the air tonight".

und dann: ein riesencrescendo.

tubbs schaut zu crockett rüber, ein wenig besorgnis in seinem blick. stilles einverständnis. der wind zerzaust crocketts haare.

dies ist keine typische miami vice autoszene, da sind keine gellenden jan hammer synthies, keine hochtourig laufenden motoren, kein bremsenquitschen.
nein, ausser der musik herrscht stille.
man hört ausser der musik keine anderen geräusche, nicht den fahrtwind, nicht den motor, kein schaltgeräusch, nicht die anderen autos, gar nichts.
nur dieses geile, geile, geile lied, zart noch, harmlos, spannungsgeladen und es passt so perfekt, dass man meinen könnte, es sei nur für diesen moment gemacht worden.
und dann, ein einziges geräusch über diesem lied drüber.

tubbs lädt seine abgesägte schrotflinte.

klackk. kla-klackk. klackk.

"i can feel it coming in the air tonight" singt phil collins.

bis dahin ist nicht geredet worden.

"how much time have we got?" fragt crockett, der am steuer sitzt, starr geradeaus guckend.

"25 minutes." antwortet tubbs.

die hypnotische, hypnotisierende fahrt setzt sich fort, licht reflektiert auf der polierten motorhaube. dazu diese musik, oh my.
dann ist man im hafen, eine telefonzelle, direkt unter einem neonlicht einer bar, ja, dies sind die 80er.

"well if you told me you were drowning/i would not lend a hand" singt phil.

crockett geht in die telefonzelle, schliesst die tür, wirft geld ein. ach, damals.

cut zu crocketts bald-ex-frau caroline nach hause, dort klingelt das telefon, sie sitzt mit dem gemeinsamen sohn, 6 jahre alt, am essenstisch, er will mit den händen essen, sie schlägt den löffel vor, geht ans telefon.

"hello?" fragt caroline.

"caroline."

"but i don't know if you know who i am" singt phil.

"sonny?"

"i need to know something, caroline. the way we used to be together, i don't mean lately, but before" fragt sonny.

da ist eine minipause. "it's all been a pack of lies" singt phil collins.

"it was real, wasn't it?,"

wieder eine minipause von sonny. phil singt, so seltsam verzerrt, dieses "well i remember", genau in diese pause hinein.

"yeah, it was. you bet it was!", antwortet caroline. enthusiastisch, beinahe.

"sonny, what's wrong?", fragt sie dann besorgt.

"nothing, caroline." sagt sonny, und zwar so dass man genau weiss, nein, kerl, das stimmt nicht, gar nicht, alles ist wrong, und du kannst es nicht sagen, willst es nicht sagen, denn du bist ein mann, und männer sagen nichts, nie, erst wenn es gar nicht anders geht, wenn man ihnen eine riesige pistole oder eine abgesägte schrotflinte auf die brust setzt, aber auch dann noch nicht richtig, erst wenn es zu spät ist, wenn sie schon verblutend auf dem asphalt von miami liegen, oder zumindest beinahe.

ein klein wenig kopfschütteln von sonny, die strähnig gegelten haare, so hübsch, sie schlackern in seine stirn.

[ich finde das sehr attraktiv bei männern, wurde mir heute klar.]

aufhängen des hörers.

"the hurt doesn't show, but the pain still grows/it's no stranger to you or me" singt phil collins, und man denkt sich so, genau, darum geht es ja auch.

[heute auch, denke ich mir so dazu.]

zurück ins auto, staubaufwirbelnde abfahrt und die drums des songs setzen ein, diese eigentlich so unendlich fiesen synthie drums, die sich hier aber gut anhören, perfekt.

ba-da-ba-baaam.

wieder licht auf der motorhaube, wieder ein shot des vorderen kotflügels, wieder wind in den haaren von crockett, der sich durch ebendiese haare streicht, und immer wieder spurwechsel, hyperschnelle spurwechsel, wie gemalt, so weich, so schnell, so gefährlich.
zu schön um echt zu sein. wie so vieles im leben.

und dann ist sie schon vorbei, die szene.

ich habe sie heute abend noch ein paarmal angeguckt, versucht die magie genauer zu verstehen, aber es ist wirklich ganz simpel. es ist neben dem licht, neben dem überschnellen, hyperrealistischen abspielen dieser spurwechsel wirklich nur der sound, der song, der alles trägt.

ich habe sehr genau hingehört heute abend bei miami vice, wie den ganzen tag über schon, versucht die nuancen zu hören, und wirklich, das ist es.

nur dieses lied macht dieses szene so gut. ein abrechnungslied für die szene vor der abrechnung, für die emotionale szene, für die sorgenvolle szene, für das nachfragen, wie es ist, nein, wie es war, mit der frau, mit der man nicht mehr so ganz zusammen ist.

ich würde es heute abend gerne so hören, das lied, aber ich hab es nicht parat.
ich würde gerne hören, ob ich die szene schon sehe im kopf, wenn ich nur das lied höre, und diese lyrics höre, die ich vorher nie so richtig bewusst gehört habe, oder ob da ein anderes bild kommen würde.
well, i was there and i saw what you did
i saw it with my own two eyes
so you can wipe off that grin, i know where you've been
it's all been a pack of lies
manchmal wünschte ich, ich könnte, ich würde nicht so gut zuhören.
und nicht so schlecht, so unendlich schlecht, einmal gehörtes, gelesenes vergessen.

it's all been a pack of lies.