Dienstag, 5. April 2016

only forever, not long at all.



david bowie ist immer noch tot, dabei war doch abgemacht, dass er wiederaufersteht nach vier tagen, so wie lazarus. wobei das mit der wiederauferstehung ja eine sache ist (vgl. lindqvist "so ruhe in frieden"): man kann das, nach ein bisschen mehr nachdenken, ja dann doch eigentlich nicht wirklich wollen. welche bevormundung so eine zurückholaktion ist, lazarus hat niemand gefragt.

+++

hätte man mich vorher gefragt, ob bowies tod mich traurig machen würde, ich hätte wohl mit "ja" geantwortet. tatsächlich war sein tod fucking devastating. als hätte ich wirklich geglaubt, er würde für immer leben.

+++


+++

als das neue album angekündigt wird, "blackstar" herauskommt, schauen r. und ich es zwei mal hintereinander an, ganz andächtig, nebeneinander im bett sitzend. dann unterhalten wir uns darüber, ob bowie krank aussieht oder nur krank gestylt ist. wir liegen beide falsch.

+++

anfang januar räume ich mein kinderzimmer im elternhaus aus, während ich blackstar auf repeat höre. d. hat es mir geschickt, vor veröffentlichung. es liegt, sehr unkomfortabel, in der dropbox, ich muss jeden song einzeln anwählen, aber das ist es wert. auf der rückfahrt nach freiburg am freitagabend, versinke ich in diesem album. repeat, repeat, repeat, repeat. sonntagabend sage ich zu r. "ich würde so viel geld ausgeben, überall hinfahren, um bowie nur einmal live zu sehen." am montagmorgen dann in der tram, "lazarus" auf den kopfhörern, die pushnachricht des guardian, die hoffnung auf einen hoax, der tweet von duncan.

+++

jetzt also niemals bowie live sehen, niemals zeitgleich mit ihm sein, irgendwo. darum geht es ja eigentlich bei konzerten, nicht unbedingt um musik.

+++

genau darüber schreibt stuckrad-barre sehr treffend in panikherz, das ohnehin  eine sehr passende lektüre für diese wochen ist: los angeles, sucht, drogen, fantum. in meinem kopf höre ich dabei eine stimme, die nicht die von stuckrad-barre ist, aber die gleiche wie schon vor 20 jahren bei der stuckrad-barre-lektüre. auch das passt.

+++

ich kaufe sehr viele schallplatten, fülle alle bowieförmigen lücken in meiner plattensammlung. die lücken sind zahlreich, ich habe mir nie gedacht: "oh, ich sollte mal das gesamtwerk kaufen", warum auch. ich hatte ja alles, was ich auflegen wollte. mittlerweile sind die löcher gestopft, denn wenn ich nicht schlafen kann, tippe ich mich durch die angebote irgendwelcher händler auf discogs und kaufe singles von alben die ich bereits habe, weil bowie auf den covern so wunderschön aussieht wie er nun mal aussieht ausgesehen hat.

+++

feels like:  wanting to be in love but knowing that nobody will ever deserve the intensity of passion you feel for david bowie when he sings this song. 

+++

ich kaufe starman-leggings und ein paar taschen von helen green und ein schlimmniedliches bild von meritxell garcia.

+++


tilda stardust 4 ever.

+++

lernen mit bowiesongs. lachen mit crayon to crayon. derweil hat instagram  sich in eine bowiefotoanlieferungsmaschine algorithmisiert. unter den schönsten bildern vertaggen s. und ich uns gegenseitig, wie teenager.

ich hasse es, in der nähe von menschen zu sein, die kokain konsumieren und vermeide diese nähe weitestmöglich. bowies kokainphase schätze ich allerdings sehr; auch, weil eine kernzeit in los angeles stattfand, der besten stadt der welt. folgerichtig hänge ich auf "station to station" fest, dem perfekten soundtrack für living on the edge. "no matter what you do in l.a., your behavior is appropriate for the city. los angeles has no assumed correct mode of use."  ich denke darüber nach, wie bowie drogenkrank und vampire-like am rand der zivilisation saß und crowley las, sich sorgen um sein sperma machte und seinen swimming pool exorzierte. ich werde irgendwann durch la fahren, in einem cabrio, und dabei dieses album hören, von downtown aus auf der 101 bis zum meer. bowie hat die stadt angeblich nach den 70ern gehasst, wherever you go, there you are und so. so wahr, besonders dort. t. ist gerade wieder dorthin gezogen und klang nicht besonders froh darüber.


heathen war das erste album, das ich wirklich liebte. 2002 war ich 24 und depressiv und in australien und e. brannte mir die platte auf eine cd. in einem hinterhofbüro mit galerie in basel stellt markus klinko 14 jahre später photos aus bowies heathen-session aus. riesengroße, hochglänzende aufnahmen von bowies gesicht. in einem bild sitzt er verzweifelnd arbeitend am schreibtisch, lazarus vorwegnehmend. es gibt herrliche nahaufnamen seiner wunderschönen augen. "one pupil suggesting the desire to fuck you, the other that you are the least interesting person in the world." (quelle nicht mehr auffindbar.) klinko ist so riesengroß wie seine bilder, sehr dünn und hält sein handy fest (wie auf allen aktuellen fotos von ihm) und erzählt, dass bowie nie in einem raum mit den wölfen war, sondern ein model, das fast gebissen wurde. marc krebs, bowie-fanboy, stellt ihm ein paar richtige fragen und trägt eine seltsame jacke, die eins von bowies reality-outfits sein könnte. zu der erzählt er, wahnsinnig niedlich, dass er sie gekauft hat, als er für ein visconti-interview in london war, um bowie zu channeln. für die schweiz sei die jacke aber zu wild, findet er. totaler quatsch: bowie würde wollen, dass er sie täglich trägt.

+++


+++

songs, die ich sofort liebte, als kind: space oddity, absolute beginners, changes.

songs, die ich mir antrainiert habe, als teenie, weil ich erkannte, dass ich sie mögen muss: fame. sound and vision.


songs, die ich immer, immer, immer aufgelegt habe, auflegen werde: love is lost (hello steve reich remix). let's dance. dancing in the streets.

+++

zum ball verqueer gehe ich als jareth und nehme es in kauf, meine beste yogahose für immer im schritt auszuleiern: ich trage das größte paar kuschelsocken das ich besitze, als bulge. the bulge was deliberate.

+++

auf meinen zu häufigen autofahrten zwischen basel und freiburg höre ich podcasts von radiosendungen über blackstar; interviews mit visconti, donny mccaslin und band. ich werde nicht müde zu hören, wie es war, mit bowie im studio, dass niemand ihn erkannte, im 55 club, man nicht neben ihm stehen konnte, wenn er sang. in der npr-all-songs-considered-folge, gesendet mitte dezember, sagen donny und tony nichts zu seiner gesundheit. in der new yorker radio hour von danach wird mccaslin gefragt, ob er das album eigentlich hören könne. erst kann er nichts sagen, dann: "i tried listening to 'i can't give everything away'."

+++

"some time in the late 90s, i started getting emails from someone i initially believed to be a very clever impersonator from the "enigmatic hints" camp. this person expressed themselves in a manner becoming of someone of bowie's erudition, was well researched (no obvious factual errors), never posted at a time when bowie clearly couldn't have. they never stated themselves to be bowie but clearly spoke from his perspective, and the emails were always signed simply "db"."

+++

caro (in the season of bowiewallow)

+++

+++

wie wunderbar bowies home-recording von "'tis a pity she was a whore" ist. ich stelle ihn mir vor, wie er vor pro tools sitzt, den saxophon-track aufnimmt, die schepper-drums aussucht, seine lyrics ins mikro erzählt, mit brüchiger stimme.

+++

überhaupt: i can't give everything away. produktivität und selbstkontrolle bis zum schluß.

+++

der moment, wo visconti den vocal track von heroes vorspielt, auch er unter bowies' spell, nach all' den jahren noch: "i'm immortalised in a david bowie song." [in den 70ern hatten sie in der wg über die supermarkteinkäufe gestritten.]

+++


ausflug nach groningen, zu "david bowie is". der präsens überall ist beruhigend, die ausstellung zugleich erschöpfend und oberflächlich: der vergebliche versuch, die bedeutung von kohlenstoff auf der erde zu erklären. ich mag, dass sie bowie körperlich erfahrbar macht: so wenig raum hat er eingenommen, so viele dinge gemacht.  kate moss passt in die ziggy outfits so gerade rein. in einer kiste liegt einer der ziggy jumpsuits, mit plattformboots und seiner gesichtsmaske, ein sarg. ich frage mich, wie es für ihn war, mit frau und kind durch die ausstellung zu laufen, in london.

"recall is nigh on impossible, certainly painful", sagt bowie bei vh1 storytellers über die mitte der 70er. "1975, 1976 and a bit of 1974 - and the first few weeks of 1977 - were singularly the darkest days of my life." dann singt er "word on a wing". mittendrin in diesen jahren hat er einen smoking getragen und total high aretha franklin einen grammy überreicht und für fotos mit lennon und yoko ono posiert. nicht nur bowie hat das überlebt, sondern auch dieser smoking. ich stehe vor diesem wunderschönen kleidungsstück und frage mich, was er an dem oscarabend in seinen hosenstaschen hatte (die sonnebrille, klar, vielleicht auch den kokslöffel, der eine etage höher in einer vitrine liegt?), aber vor allem frage ich mich, wie es sein kann, dass dieser smoking hier ist. bowie hat ihn an diesem abend irgendwann irgendwo ausgezogen (sich ausziehen lassen, wahrscheinlich, hoffentlich, überhaupt ist das vielleicht das einzige thema, das weitestgehend ausgespart wird in dieser ausstellung: bowie, das sexuelle wesen) oder darin geschlafen, wasauchimmer. der smoking lag irgendwann danach auf irgendeinem möbelstück, einem fussboden in los angeles. aber dann hat ihn irgendwer aufgehangen und reinigen lassen  und in einen schrank gehängt und dann ist dieses ding  nicht verloren gegangen, in den einundvierzig jahren seither, obwohl bowie hin und her gezogen ist, über kontinente hinweg, geldprobleme hatte und dann nicht mehr. wie crazy das ist. wie kontrolliert dieser mensch war, selbst in der krise. wie er immer alles aufbewahrt hat (auch: die outfitskizzen aus der jugend, die lyrics zu "station to station"). wie beeindruckend ich diese kontrolle finde.

ich habe das kaum zu unterdrückende bedürfnis, alles anzufassen. ich will mich einsperren lassen in der ausstellung, um eine nacht lang den smoking und die wunderschönen anzüge von thomas jerome newton zu umarmen, jetzt wo ihr träger nicht mehr körperlich da ist. ein paar wochen später erzähle ich c., an meinem küchentisch sitzend davon. sie sagt: "das habe ich gemacht." an einem anderen ausstellungsort, am vor-eröffnungsabend, sie kannte jemanden, der für die technik verantwortlich war. fasste alles an, die klamotten, seine instrumente. ich brauche ein paar stunden, um das zu verkraften.

unerwartete dinge in der ausstellung gehen mir nah, auch ohne anfassen: der starman anzug, jareths swagger stick, der eigentlich eine peitsche ist, die cover-collage von"scary monsters". natürlich der ganze kram aus berlin, ein von bowie gemaltes porträt von iggy (das man in esther friedmans bildband in iggys wohnung hängen sieht), seine oblique strategies, total abgenutzt. ob er sie nicht mehr wollte 2013, als die ausstellung kuratiert wurde? hatte er eine andere ausgabe für blackstar oder war alles so klar, am ende, dass er ihre hilfe nicht mehr brauchte?

+++

"but loving any musician is a mostly solitary act, whether that love is manifested through raw infatuation or deep engagement with the music itself, and the connection fans felt to david bowie was no exception. his death finally dragged into the light everything he meant to people in private. the masses of us who mourned in public, in essays and on social media and in the streets of new york and london and berlin, didn’t usually end up recounting all the crazy shit we did under his influence or even reminiscing about the ways his music fostered community. 
the portrait of the bowie fan that emerged instead was surprisingly introspective, in story after story of teenagers listening to ziggy stardust or hunky dory alone in our bedrooms, finding the courage to be queer or weird or to just keep living, and returning to those albums for decades afterwards whenever we needed an inoculation against hopelessness. instead of spacemen we were all the mousey-haired girl from “life on mars?,” looking to art to kick down the walls of our claustrophobic worlds.
[....]
i decided to leave the job around the corner from bowie’s apartment in february, partially because his death and his mortality-obsessed work and all that he was able to accomplish in such small windows of time had reminded me that my life isn’t infinite. five years suddenly felt like a long time to be in the same place, physically and figuratively. six would have been too many. nearly every discussion i had with other people who loved bowie this winter involved a mutual admission that his death had sunk us into self-scrutiny. so many of us were ashamed to have lost the urgency he had helped us access, as kids, about living."

+++

gestern habe ich tickets für iggy gekauft. an allem anderen arbeite ich.

+++